E-Sport: Virtuelles Kräftemessen auf Profi-Niveau

Tim „Latka“ Schwartmann ist Profi-Sportler. Als Schalker E-Sports-Champion muss er neben Schnelligkeit und Geschick beim FIFA-Spielen auch körperliche Fitness beweisen. Der 20-jährige Gelsenkirchener im Gespräch über seinen Alltag, seinen Spitznamen und die Besonderheit des virtuellen Fußballs.

Tim, wie bist du darauf gekommen professionell E-sport zu betreiben?

Ich habe es nie so richtig geplant, E-Sportler zu werden. Ich habe schon immer viel FIFA gespielt und war immer sehr, sehr gut darin. Als mir das Spielen gegen Freunde und andere Online-Spieler schlicht „zu langweilig“ wurde, habe ich im Internet recherchiert, ob ich nicht an Turnieren teilnehmen könnte. Dort konnte man bereits um Preisgeld spielen. Neben der Schulzeit war das immer ein ordentliches Taschengeld.

Im Juni 2016 hat Schalke 04 seine E-Sport-Abteilung aufgemacht. Sie suchten damals noch einen Nachwuchsspieler, der möglichst Schalke-Fan ist und aus der Gegend kommt. Das alles traf auf mich zu, also bin ich vom Schalker Team angefragt worden, ob ich nicht bei einem Scouting-Turnier teilnehmen möchte. Dort konnte ich dann überzeugen und war dann im Prinzip von einen Tag auf den anderen Profi-Spieler. Es wurde dann alles auch in so kurzer Zeit so groß und so viel, dass ich mein Informatikstudium abgebrochen habe, um mich komplett auf den Sport konzentrieren zu können.

Warum ist dein Spielername Tim „Latka“ Schwartmann?

Es gab mal einen Fußballspieler, der hieß Martin Latka. Er hat allerdings nie bei Schalke gespielt, sondern bei Fortuna Düsseldorf. Ich habe auch selbst lange Zeit „richtigen“ Fußball gespielt und während dieser Phase hat er mich irgendwie begeistern können. Mittlerweile ist „Latka“ so eine Art Künstlername geworden, wodurch ich meinen richtigen Nachnamen auch ein wenig aus der Öffentlichkeit raushalten kann.

Wie sieht ein typischer Tag in deinem Leben aus?

Ich trainiere jeden Tag etwa vier bis fünf Stunden. FIFA ist eine Einzelsportart, das heißt ich trainiere für mich gegen andere Profi-Spieler aus aller Welt. Ziel des Trainings ist es, das Spiel so schnell wie möglich „auswendig zu lernen“. Das heißt, mit einer hundertprozentigen Genauigkeit vorhersehen zu können, welche Folgen welcher Spielzug hat und somit möglichst wenig dem Zufall zu überlassen. Aber auch körperlicher Sport ist wichtiger Bestandteil meines Lebens, genauso wie eine gesunde Ernährung. Denn nur wenn wir körperlich fit sind, können wir bei den Spielen lange konzentriert und schnell bleiben.

Jeden Tag spielt Tim Latka vier bis fünf Stunden FIFA. (Bildquelle: EA Sports)

Was zusätzlich einiges an Zeit in Anspruch nimmt ist die Medienarbeit. Wir führen viele Interviews und versuchen, E-Sport bekannter zu machen. Zwar wissen die meisten jungen Menschen mittlerweile um die Existenz von E-Sport, aber gerade ältere Bevölkerungsgruppen kennen diese Art des Sports nicht, beziehungsweise können nicht viel damit anfangen.

Am Wochenende findet außerdem immer die „Weekend League“ statt. Bei diesen Wettkämpfen spielen wir rund 30 Spiele in drei Tagen, um uns für weitere Spiele und Turniere zu qualifizieren. Das kann mitunter sehr anstregend sein, daher müssen wir bestenfalls immer gut ausgeschlafen und topfit sein.

Wie reagieren Leute, wenn du erzählst, dass du E-Sportler bist?

Also in der Regel fallen die Reaktionen sehr positiv aus. Gerade, wenn ich mit Menschen in meinen Alter darüber rede, sind diese meist sehr angetan und interessiert, Jedoch merke ich manchmal, dass einige – vor allem ältere Leute – denken, dass ich lieber etwas „Vernünftiges“ machen und mein Studium wieder aufnehmen sollte. Wenn diese Leute sich aber näher mit dem Thema beschäftigen, merken die meisten, dass E-Sport eine ernst zunehmende Sportart ist, die von ihren Spielern einiges fordert und die auch Perspektive hat.

Was machst du, wenn du mal nicht spielst?

Ich bin sehr großer Schalke-Fan und würde am liebsten so oft es geht ins Stadion gehen. Das ist mit dem E-Sport leider manchmal ein wenig schwierig, weil bei uns fast jedes Wochenende Qualifikationsspiele anstehen. In meiner Freizeit bin ich aber auch ganz froh, wenn ich „offline“ sein kann und mal nicht spielen muss.

Tim Latka würde gerne mehr Spiele seiner Lieblingsmannschaft Schalke 04 sehen. Leider ist das neben seinem Job schwierig. (Bildquelle: Pixabay)

Was war bisher dein größter Erfolg?

2017 habe ich beim NGL-Championship in der Kategorie „Bester Vereinsspieler Europas“ gewonnen.

Was wäre dein größtes Ziel?

Mein nächstes Ziel ist es bei der Weltmeisterschaft im kommenden Jahr teilnehmen zu können. In den vergangenen drei Jahren bin ich immer im letzten Spiel vor der Meisterschaft in der Qualifikationsphase ausgeschieden.

Was denkst du, warum übt E-Sports auf Viele eine besondere Faszination aus?

Ich denke die Faszination für E-Sport lässt sich mit der für „normalen“ Fußball vergleichen. Viele betreiben selbst den Sport und möchten den besten Spielern dabei zusehen, wie diese sich messen und auch erfahren, was innerhalb dieser Sportart möglich ist.

Vorausgesetzt, jemand liest hier das erste Mal von E-Sport: Wie und wo kann man eure Spiele verfolgen?

Jeder von den etwas größeren Spielern hat einen Twitch und/oder Youtube-Kanal, wo man ihm bei seinen Spielen auch live zusehen kann. Wenn die Spiele im Rahmen von Meisterschaften ausgetragen werden, veröffentlicht der Veranstalter die Spiele auf seiner Seite bzw. seinen Social Media-Kanälen.

Findest du, dass sich realer Sport und E-sports ähneln? Warum? Warum nicht?  

Ich finde realer und E-Sport ähneln sich sehr. Natürlich kommt es hier auch immer darauf an, mit welcher Sportart konkret ich E-Sport vergleiche – eine Gegenüberstellung von Leichtathletik und E-Sport offenbart vermutlich weniger Überschneidungen als der Vergleich von E-Sport und Formel 1. Aber im Grunde denke ich es gibt keine großen Unterschiede.

Braucht der virtuelle Fußball den realen Fußball?

Ja, auf jeden Fall. Zum einen natürlich, weil sich FIFA an aktuellen Geschehnissen orientiert, aber auch, weil die Bundesligavereine mit ihrer Expertise und ihrem finanziellen Mitteln den E-Sport-Markt sehr bereichern.

Kann sich der reale Fußball durch den virtuellen Fußball verbessern?

Auch hier würde ich die Frage mit einem klaren „Ja“ beantworten. Die „Marke“ Schalke 04 profitiert von E-Sport, weil sie damit auch Leute anspricht, die nicht unbedingt Schalke-Fans sind.

Wie kann ich das verstehen?

12 der 18 Bundesligisten haben mittlerweile E-Sport-Abteilungen, aber lange noch nicht alle Vereine. Schalke war hier auch einer der Vorreiter. Darüber hinaus sind wir als E-Sportler natürlich für Schalke tätig. Trotzdem haben wir auch außerhalb des Vereins eine Fanbase. Von meinen 160.000 Youtube-Abonnenten sind vielleicht ein Viertel Schalke-Fans. Die anderen nehmen es aber natürlich als meine „Fans“ sehr wohlwollend zu Kenntnis, dass Schalke mich und viele andere unterstützt. Und das wirkt sich natürlich positiv auf die „Marke“ aus.

Warum ist das Ruhrgebiet ein guter Ort um E-sports zu betreiben?

Ich komme aus dem Ruhrgebiet und wohne sehr gerne hier. Ich glaube die meisten, die hier herkommen, wissen seine Besonderheiten zu schätzen. Darüber hinaus wird im Ruhrgebiet der Fußball noch einmal ganz anders gelebt, als in anderen Regionen Deutschlands. Die Vereine wie Schalke, der BVB oder auch der VFL Bochum haben eine enorme Strahlkraft im Ruhrgebiet.

Wie sieht die Zukunft des E-sports aus? Welche Trends zeichnen sich jetzt schon ab?

Mit Bezug auf meinen Sport FIFA glaube ich, dass wir über kurz oder lang eine E-Sport-Bundesliga haben werden, bei der – wie bei der „richtigen“ Bundesliga – Vereine um den deutschen Meistertitel kämpfen werden.

Ich denke aber, dass sich der E-Sport im Allgemeinen immer weiter professionalisieren wird. Nichtdestotrotz ist es ein schnelles Geschäft, das heißt, es ist schwierig auszumachen, wo es in der Zukunft genau hingeht.